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Windkraftanlagen und Radar

Bild 1: Windkraftwerk

Bild 1: Windkraftwerk

Regenerative Energiequellen wie Windkraftanlagen werden mehr und mehr das Landschaftsbild prägen. Jedoch in der Nähe von Radaranlagen sind diese als Störquelle ungern gesehen, oft wird eine Baugenehmigung wegen der Nähe zu einem Radargerät versagt.

Es wird behauptet, dass diese Windkraftanlagen die Reichweite der Radargeräte verringern. Das ist oft schwer vorstellbar. Deshalb hier die Erklärung:

Abschattung

Auf direktem Wege (etwa durch Abschattung) ist ein Einfluss nicht messbar, er wäre zu gering. So wie das menschliche Auge auch durch einen sich drehenden Ventilator hindurchsehen kann, kann auch das Radar durch den Kreis der Rotoren einfach hindurchsehen. Weiterhin kann eine Abschattung an einem nur 2 bis 5 Meter breitem Hindernis (Mast) ohnehin nur bis etwa 1000 Meter direkt hinter diesem Hindernis festgestellt werden. Danach ist die Wellenfront durch die Beugung (Diffraktion) der elektromagnetischen Wellen an diesem Hindernis wieder geschlossen. Selbstverständlich wird ein geringer Teil der Sendeenergie reflektiert und steht für sich dahinter befindliche Ziele nicht mehr zur Verfügung, aber das ist keine Erklärung für den Reichweitenverlust. Die Windkraftanlage ist hier nur ein Hindernis, wie jedes Haus, jeder Baum oder Maulwurfshügel auch und fällt (wenn der Rotor sich nicht dreht!) in dem Signalgemisch der Festziele gar nicht auf.

Reale Untersuchungen einer Abschattung wurden im Jahre 2003 durch die Firma Alenia-Marconi Systems nach umfangreichen Computersimulationen veröffentlicht. Demnach beträgt eine Verringerung des sich direkt im optischen Schatten eines Mastes einer Windkraftanlage fliegenden Flugzeuges weniger als 2 dB, also einen Wert, der in der normalen Fluktuation des Echosignals durch die Zerklüftung dessen effektiver Rückstrahlfläche völlig untergeht.

Zusätzlich muss betrachtet werden, dass bei einem horizontalen Öffnungswinkel der Antenne von (typisch) 1,6° und einem Mastdurchmesser der Windkraftanlage von etwa 3 m diese sich innerhalb eines Radius von 3m/[2·sin(1,6°/2)] = 107 m (!) befinden muss, um das Antennendiagramm komplett (also die Halbwertsbreite) abzudecken. In der Praxis stehen diese Windkraftanlagen wesentlich weiter weg und können also nur einen geringen Teil der Energie eines Sendeimpulses abschatten.

Experiment: die betroffenen Radaranlagen arbeiten alle in Frequenzbereichen, in welchem die elektromagnetischen Wellen quasi-optische Eigenschaften haben. Man kann also mit Hilfe einer lichtstarken Taschenlampe (deren Lichtstrahl sich möglichst noch durch Verschiebung des Reflektors fokussieren lässt) ein anschauliches Experiment durchführen. Richten Sie den Strahl der Taschenlampe auf eine etwa 6 bis 10 Meter entfernte Mauer und fokussieren sie durch Drehen des Reflektors den Strahl auf einen möglichst kleinen Leuchtfleck. Und nun halten Sie an beliebiger Stelle einen Bleistift in den Lichtstrahl (Beachten Sie: nur den Bleistift – nicht zusätzlich die Hand!) und beobachten Sie den Schattenwurf an der Wand, beziehungsweise, falls dieser nicht erkennbar ist, beobachten Sie, den Einfluss des Bleistiftes auf die Helligkeit des Leuchtfleckes. Sie werden erkennen,

  • dass ab einem Mindestabstand von der Taschenlampe kein Einfluss auf die Helligkeit mehr erkennbar ist;
  • dass bis zu einen bestimmten Abstand des Bleistiftes von der beleuchteten Wand auch kein Schatten erkennbar ist.

Der Durchmesser des Bleistiftes im Verhältnis zum Durchmesser des Lichtstrahls entspricht etwa den Verhältnissen, die ein Windkraftwerk in einer Entfernung von 5 bis 10 km Entfernung zu der Strahlbreite eines Flugsicherungsradars einnimmt.

Sich nur auf eine Abschattung zu berufen, ist also eine unzulässige Vereinfachung der Wirkung einer Windkraftanlage auf das Radargerät, die mit der Realität wenig zu tun hat. Ein Schatten ist nur direkt und in relativ kurzer Entfernung hinter der Windkraftanlage messbar. (Also in einer Höhe und Entfernung, die ein Pilot aus verständlichen Gründen ohnehin meiden sollte.) Es konnte auch noch niemand erklären, warum die Abschattung durch ein Windkraftwerk auf das Radar einen negativen Einfluss hat, aber die gleich große Abschattung zum Beispiel durch eine Baumgruppe toleriert werden kann.

Die Dämpfungen hinter der Baumgruppe oder dem Windpark liegen im Bereich um 2 Dezibel. Die natürliche Schwankung des Echosignals (Fluktuationsverlust) eines Flugzeuges kann aber im Bereich von mehr als 30 Dezibel liegen, ist also möglicherweise mehr als tausendfach größer. Damit muss das Radar auch zurechtkommen.

Einfluss auf die Radarreichweite

Das Radargerät kann die Echosignale von feststehenden Objekten von Echosignalen eines bewegten Objektes (Flugzeug) durch Auswertung der Dopplerfrequenz unterscheiden. Die Anzeige der Echosignale von Festzielen (Häuser, Bäume, Hügel) wird durch eine technische Schaltung unterdrückt. Nur die Windkraftanlage bildet hier eine Ausnahme: Durch die sich drehenden Rotoren wird ebenfalls eine Dopplerfrequenz erzeugt, welche das Echosignal einer Windkraftanlage zum Verwechseln ähnlich dem Echosignal eines Hubschraubers in der Standschwebe macht. Und genau das macht die Windkraftanlage zu einem nicht mehr tolerierbaren Hindernis. Das Radargerät erzeugt für dieses Echosignal einen Falschalarm. Dieser Falschalarm muss erst einmal genauso bearbeitet werden wie ein echter Alarm. Die Erkennung, dass es sich um einen Falschalarm handelt, benötigt Zeit. Bei digitalen Radargeräten Rechenzeit, bei analogen Radargeräten Zeit der Aufmerksamkeit des Fluglotsen oder des Radarführers. Oft muss eine zusätzliche Antennenumdrehung abgewartet werden, ehe ein Entschluss über dieses Ziel gefasst werden kann. Ein einzelner Falschalarm ist noch kein Problem, aber Windkraftwerke stehen meist dicht nebeneinander, jedes Windkraftwerk erzeugt einen Falschalarm, sehr schnell steigt die Falschalarmrate auf nicht mehr tolerierbare Werte an. Ein sich über dem Windpark befindliches Kleinflugzeug könnte so übersehen werden.

Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die Falschalarmrate im Radargerät zu verringern. Gängige Praxis ist, dass die Standorte dieser Windkraftanlagen in eine Cluttermap – eine Art elektronischer Landkarte im Speicher des Radarsignalprozessors – eingetragen werden und dort langfristig die gemessenen durchschnittlichen Echosignalstärken gespeichert werden. In der nächsten Antennenumdrehung wird nur noch die Differenz vom aktuell gemessenen Wert und dieser gespeicherten Echosignalstärke weiterverarbeitet. Diese Methode ist sehr effektiv, wenn das Echosignal eines feststehenden Hindernisses konstant ist. Leider ist das bei Windkraftanlagen selten der Fall, Windrichtung und Rotorstellungen ändern sich ständig. Das bedeutet, dass für diesen Geländepunkt ein höherer Schwellwert definiert werden muss, ab dem das Radar auf ein wichtiges Ziel erkennt. Hier kommt der Radarsignalprozessor an seine Grenzen, denn alle diese Berechnungen müssen in Echtzeit ablaufen. Oft kommen hier Prozessoren zum Einsatz, bei denen diese Berechnung nicht durch Softwareprogramme gesteuert werden, sondern bei denen es sich um superschnelle fest verdrahtete Logiken handelt. Kann sich diese Logik nicht auf Ziel oder kein Ziel entscheiden, wird diese Entscheidung in die nächste Instanz geschickt, die mehrere Antennenumdrehungen miteinander vergleichen kann und deren Ergebnis nicht mehr in Echtzeit vorliegt.

Alle diese Maßnahmen zur Verringerung der Falschalarmrate verringern gleichzeitig die Entdeckungswahrscheinlichkeit für echte Ziele. Durch unterschiedliche Schwellwerte in der Signalverarbeitung bedingen sich Falschalarmrate und Entdeckungswahrscheinlichkeit, sie sind zueinander reziprok proportional. Und das ist der Haken an der Geschichte: Die Reichweite eines Radargerätes wird für eine konstante Entdeckungswahrscheinlichkeit bestimmt. Wenn sich diese verschlechtert, dann verringert sich effektiv auch die Reichweite des Radargerätes. Das erklärt auch, dass eine geringere Anzahl von Windkraftanlagen in der Nähe des Radargerätes vielleicht noch toleriert werden konnten, während der Bau zusätzlicher Anlagen die Radarreichweite stark beeinflussen würde.

Lösungsansätze

Bild 2: Die Dopplerspektren von einem Flugzeug und einem Windkraftwerk unterscheiden sich erheblich.

Bild 2: Die Dopplerspektren von einem Flugzeug und einem Windkraftwerk unterscheiden sich erheblich.

Technisch werden, außer eben den restriktiven Baubeschränkungen, mehrere Lösungen angeboten. Als mögliche Verbesserung muss eine Maßnahme gefunden werden, welche die Zeit zur Erkennung eines möglichen Falschalarmes verringert. Das Ingenieurbüro Cambridge Consultants entwickelte ein Radarverfahren, welches die fragliche Richtung zehnmal pro Sekunde (statt wie bisher einmal alle 4 Sekunden) abfragt und somit in Echtzeit klar erkennt, dass es sich bei dem fraglichen Ziel um ein Windkraftwerk handelt. Cambridge Consultants nennt dieses Verfahren holografic radar™

Möglich ist das bei einem Radargerät, welches mit einer Phased-Array-Antenne eine digitale Strahlformung durchführt. Diese bisher nur für hochmoderne militärische Radargeräte entwickelte Technologie ist mittlerweile auch für zivile Verwendungen erschwinglich. Dadurch, dass keine mechanisch drehenden Baugruppen mehr verwendet werden, ist dieses Verfahren auch wartungsfrei und völlig unabhängig von der Witterung wie zum Beispiel Windgeschwindigkeiten. Für Flugsicherungsaufgaben ist es auch von großem Vorteil, die dritte Koordinate (Flughöhe) unabhängig vom Sekundärradar ermitteln zu können.

Durch eine moderne statistische Methode für die Ermittlung von Schwellwerten bei der CFAR können die bisherigen Einbußen bei der Entdeckungswahrscheinlichkeit in der Nähe von Windkraftanlagen fast gänzlich eliminiert werden.

Bild 2 zeigt die Unterschiede in der Dopplerfrequenz in den aufeinanderfolgenden Impulsperioden bei einem zweimotorigen Propellerflugzeug und einer Windkraftanlage für ein Radar im I-Band. Das Flugzeug hat eine Dopplerfrequenz mit einer größeren Amplitude für Rumpf, Flügel und die Leitwerke. Deren Dopplerfrequenz resultiert aus der Radialgeschwindigkeit des Flugzeuges. Die Propeller erzeugen zusätzliche Ausschläge mit anderen Dopplerfrequenzen, die als JEM lines bezeichnet werden (von ”Jet Engine Modulation“).

Das größte Echosignal eines Windkraftwerkes resultiert von der Reflexionsfläche des festen Turmes ohne Dopplerfrequenz (fD = 0). Die Flügel des Windkraftwerks erzeugen ebenfalls Dopplerfrequenzen, deren maximale Größe mit dem Propellerflugzeug vergleichbar ist. Hier hat aber jede kleine Teilfläche der großen Flügel eine andere Radialgeschwindigkeit, so dass keine impulsförmigen Amplituden wie bei den Flugzeugpropellern entstehen, sondern ein kontinuierlicher Übergang vom negativem zum positiven Maximum. Mit diesen Unterschieden im Spektrum kann ein Windkraftwerk eindeutig von einem Flugzeug unterschieden werden.

Des Weiteren gibt es Versuche [1], mit Hilfe der Stealth-Technologie die effektive Reflexionsfläche der Rotoren der Windkraftanlagen zu verringern. Abgesehen davon, dass diese Technologie sehr teuer ist, ist sie leider nur auf einen bestimmten Frequenzbereich abgestimmt und somit nur wenig wirksam. Zum zweiten darf sie die Windkraftanlage auch nicht völlig unsichtbar machen, da sonst die Kollisionsgefahr bei schlechter Sicht trotz Navigationsradar zu groß wird. Kurioserweise haben dann diese Stealth-Windkraftwerke einen Winkelreflektor, damit diese Navigationsradargeräte sie trotzdem sehen. Das ist kein Widerspruch in sich, denn das durch die Stealth-Technologie verringerte Echosignal war stark fluktuierend und mit einer Dopplerfrequenz beaufschlagt. Der Winkelreflektor hingegen liefert in die Richtung des suchenden Radargerätes ein konstantes Echosignal, welches durch das Radar wahlweise unterdrückt oder angezeigt werden kann.

Als weitere mögliche Lösung könnte in Zukunft ein jedes Windkraftwerk mit einem Transponder für das Sekundärradar ausgestattet werden, der dem Radargerät mitteilt: Dieses Echosignal ist von dem Windkraftwerk xyz! Im Idealfall könnten noch Windrichtung und Rotorgeschwindigkeit mit übertragen werden. Der Radarsignalprozessor würde dieses Echosignal als Ziel behandeln, es mit dem Transpondersignal korrelieren, aber auf Wunsch nicht zur Anzeige bringen oder abgesetzte Diplays mit diesem Signal gar nicht erst belästigen. Der technische Aufwand auf der Windkraftwerkseite wäre relativ gering, auf der Radarseite muss nur die Software für diese Lösung angepasst werden und vielleicht bei neueren Radargeräten die Rechenleistung der Radarsignalprozessoren für die nun sehr viel größere Anzahl relevanter Ziele angepasst werden. Statt Sekundärradar wäre auch eine Verbindung über eine eigene IP-Adresse eines jeden Windkraftwerks möglich. Sehr viel höher ist der Aufwand der Administrierung dieser Lösung, da sie eine Standardisierung erfordert, die möglicherweise durch die ICAO erst international anerkannt werden muss. So ganz nebenbei hätte diese Lösung auch einen weiteren Vorteil: durch die bekannten Standorte der Windkraftanlagen und deren Transpondersignale wären die bisherigen Testtransponder überflüssig und die Radargeräte könnten die dislozierten Windkraftanlagen für eine interne Kalibrierung ihrer Empfangskanäle nutzen.


[1] Stealth-Technology: http://www.hitek-ltd.co.uk/